Brief 03: Februar 1943

von | Jan. 29, 2022 | Briefe | 0 Kommentare

Im dritten Brief, den Du erhalten hast, wendet sich Hajo an seine geliebte Schwester Gisela. Auf verschlungenen Wegen erreichen sie seine Zeilen, zugestellt durch einen seiner engen Freunde. So etwas ist im Februar 1943 durchaus gefährlich für Leib und Leben, denn Hajo befindet sich in Gestapo-Haft.

Mit Gisela teilt er seine geheimsten Gedanken und erzählt ihr zum einen von seiner Verzweiflung und zum anderen erstmalig von der Frau, in die er sich verliebt hat. 

Kriegswende

In der Zeit, in der Hajo aus seiner Haft heimlich einen Brief an Gisela schreibt, wendet sich das Kriegsgeschehen für die deutsche Armee in einer der schlimmsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs: Stalingrad.

Am 2. Februar 1943 kapitulieren die letzten Wehrmachtstruppen. Unterernährt und halb erfroren gehen 100.000 Soldaten in die sowjetische Kriegsgefangenschaft. Manche von ihnen sollen erst 1955 wieder in ihre Heimat zurückkehren, entweder in ein völlig verändertes Deutschland oder in ein Zuhause, das nicht mehr zu Deutschland gehört.

Breslau und die Gestapo

Die „Geheime Staatspolizei“ ist die politische Polizei des NS-Regimes und existiert von 1933-1945. Man geht davon aus, dass 1944/45 mehr als 31.000 Personen für die Gestapo aktiv sind.

In den Großstädten werden sogenannte Staatspolizei-Leitstellen eingerichtet, denen wiederum „Stapo-Stellen“ in kleineren Orten und weitere Nebenstellen untergeordnet sind. Die Struktur ermöglicht auf diese Weise die flächendeckende Überwachung Deutschlands bis hinein in kleine Ortschaften und Landkreise.

Staatspolizei-Leitstellen des NS-Regimes bestehen in: Berlin, Breslau, Brünn (heute Brno), Danzig (heute: Gdansk), Dortmund, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt/Main, Hamburg, Hannover, Karlsruhe, Kattowitz (heute: Katowice), Königsberg (heute: Kaliningrad), Magdeburg, München, Münster, Nürnberg-Fürth, Posen (heute: Poznań), Prag (heute: Praha), Reichenberg (Süd) (heute: Liberec?), Stettin (heute: Szczecin), Stuttgart und Wien.

Der Staatspolizeileitstelle Breslau sind die Leitstellen Liegnitz und Oppeln untergeordnet. Sie beschäftigt im Jahr 1941 ca. 200 Polizistinnen und Polizisten. Seit 1943 ist sie in Breslau an der Adresse Anger 10 (heute ul. Łąkowa) ansässig. Das Gebäude auf der rechten Seite könnte es gewesen sein:

https://polska-org.pl/8769756,foto.html

Das Polizeipräsidium der normalen Polizei wird in Breslau Ende der 1920-er Jahre erbaut. Der imposante Bau wird auch heute noch als solches genutzt. Früher Adresse ist der Ohlauer Stadtgraben (heute Podwale 31-33).

Weiterführende Informationen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Geheime_Staatspolizei

 

Waschmittel und Seife

Die Produktion von Nervenkampfstoffen und Giftgasen ist streng geheim. Die Bevölkerung soll dadurch nicht beunruhigt werden und die Produktion muss im Verborgenen stattfinden. Daher wird zu Tarnungs- und Propaganda-Zwecken offiziell von Fabriken zur Waschmittel- und Seifen-Produktion gesprochen. Der Deckname für Nervenkampfstoffe, auch G-Stoffe genannt, ist „Trilon“.

Das HWA

Das Heereswaffenamt (HWA) wird 1920 als Waffenamt gegründet und 1922 in Heereswaffenamt umbenannt. Bis zu seiner Auflösung im April 1945 ist das HWA die zentrale Stelle für die Rüstungsforschung und kümmert sich um die technische Entwicklung, Fertigung und Testung von neuen Waffen, Munition und Gerät des deutschen Heeres. 1944 sind für das HWA etwa 7.000 Beamte und Offiziere tätig.

Hauptsitz des HWA ist die Hardenbergstrasse 29 in Berlin. Das Gebäude wird im Zweiten Weltkrieg zerstört und abgetragen.

Insgesamt sind im HWA 12 verschiedene Fachabteilungen untergeordnet, die für das entsprechendes Fachpersonal mit Spezialkenntnissen im jeweiligen Fachgebiet sorgen.

Die Abteilung „Wa Prüf 9“ ist die Fachabteilung „Gasschutz“, in der Chemiker und Wissenschaftler anderer Fachrichtungen im Einsatz sind. Vordergründig in der Entwicklung von Schutzmaßnahmen gegen Gasangriffe des Feindes, tatsächlich aber in der Entwicklung eigener Kampfstoffe, die durch Verätzungen auf die Haut oder die Vergiftung des Nervensystems wirken.

Chef des Heereswaffenamtes ist vom 16. April 1940 bis zum 01. Februar 1945 General der Artillerie Emil Leeb (1881-1969).

Fritz Haber

Fritz Jakob Haber (geboren im Dezember 1868 in Breslau) war ein deutscher Chemiker und Nobelpreisträger für Chemie. Als Gründungsdirektor leitet Haber über 22 Jahre lang das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie und Elektrochemie in Berlin. Sein wissenschaftliches Werk ist sehr umfassend und reicht von der Thermochemie über Organische Chemie und Elektrochemie bis hin zur Technischen Chemie.

Gemeinsam mit Carl Bosch entwickelt er das Haber-Bosch-Verfahren (Ammoniaksynthese), das die Massenproduktion von Stickstoffdünger ermöglicht. Hierfür erhält er 1918 den Nobelpreis.

Nach Beginn des Ersten Weltkriegs experimentiert Haber mit Phosgen und Chlorgas, was ihn zum „Vater des Gaskriegs“ macht. Unter seiner Koordination wird 1915 in Ypern Giftgas erstmals in der Geschichte der Menschheit als Massenvernichtungswaffe eingesetzt.

Wegen antisemitischer Repressalien emigriert Fritz Haber 1933 nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten zunächst nach England. Er verstirbt wenige Monate später 1934 in einem Hotel in Basel (Schweiz).

In erster Ehe ist er verheiratet mit Clara Helene Immerwahr (1870-1915), die 1900 an der Universität Breslau als erste deutsche Frau im Fach Chemie promovierte. 1915 nimmt sie sich das Leben. Die Annahme, sie hätte aus Protest gegen die führende Rolle ihres Mannes im Gaskrieg Suizid begangen, wird nach wie vor kontrovers diskutiert.

Der Dozentenbund

Der Nationalsozialistische Deutsche Dozentenbund (auch NS-Dozentenbund oder NSD-Dozentenbund) war eine Parteigliederung der NSDAP. Gegründet auf Anordnung von Rudolf Heß, dem Stellvertreter Hitlers, wird er bereits 1935 gegründet und geht aus dem Nationalsozialistischen Lehrerbund hervor.

Der Dozentenbund soll auf die Universitäten im Sinne der NS-ideologie Einfluss nehmen und die Hochschullehrerschaft politisch kontrollieren. So wird insbesondere auf Berufungen, Stellenbesetzungen, aber auch auf Habilitationen und Dissertationen massiv Einfluss ausgeübt.

Auch die Vertreibung jüdischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von den Universitäten wird maßgeblich von den Aktivisten des Dozentenbundes betrieben.

Der Alliierte Kontrollrat verbietet mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 2 vom 10. Oktober 1945 den Dozentenbund und beschlagnahmt sein Eigentum.

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